Als ostpreußisches Wolfskind nach Lettland
Werner Starasts wird 1935 als Werner Otto Kaschärus im ostpreußischen Insterburg geboren. Am Ende des Zweiten Weltkriegs nimmt sein Leben eine dramatische Wendung. Sein Vater, Otto Gustav Kaschärus, fällt 1942 vor Leningrad. Auf der Flucht im Frühjahr 1945 verliert er seine Mutter Margarete und beide Schwestern, Ingrid und Brunhilde. Inmitten der Kriegswirren verhungern seine Großmutter und zwei Großtanten. Werner bleibt allein zurück und gehört zu den sogenannten „Wolfskindern“ – Waisen, die in den Nachkriegsjahren in Ostpreußen ohne Hilfe auf sich gestellt sind. Er ist auf die Wohltätigkeit anderer angewiesen, lebt aber auch unter der Willkür der sowjetischen Besatzung.
1948 wird Werner in einen Güterzug in die Lettische Sowjetrepublik geschickt und findet Zuflucht bei der lettischen Bäuerin Anna Starasts, bei der er aufwächst und ihren Nachnamen annimmt. In der stalinistischen Sowjetunion dient er in der Roten Armee und heiratet später zweimal.
Währenddessen gelingt es seiner Mutter, die nach ihrer Flucht in der Bundesrepublik Deutschland gelandet war, mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes, Werner zu finden. Nach Jahrzehnten der Trennung reist sie 1977 in die Sowjetunion, wo sie ihren Sohn in Moskau wiedertrifft.
Nach dem Fall der Mauer kämpft Werner um seine Identität und leidet unter seiner Vergangenheit. „Ich fühle mich wie verurteilt“, sagte er. „Warum muss ich mein ganzes Leben in der Fremde leben? Ich habe nichts verbrochen.“ Aufgrund seiner deutschen Herkunft erlebt er das Gefühl der Entfremdung. 2004 erhält er nach einem langen Prüfverfahren endlich seine deutsche Staatsbürgerschaft zurück, entschließt sich jedoch, in Lettland zu bleiben, da seine Familie dort lebt und er unsicher ist, wie es in Deutschland für ihn weitergehen könnte. Auf die Frage, ob er sich in Lettland zuhause fühle, antwortet er: „Mehr fremd als ein Lette. Ja. So ist das.“