Anton Keuchel wird 1914 im ostpreußischen Ermland geboren. Nach seiner Ausbildung zum Lehrer unterrichtet er in seiner Heimat Ostpreußen. Nach dem Kriegsdienst wird er 1948 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen – jedoch nicht in die ostpreußische Heimat, sondern in die Britische Zone. In Westdeutschland findet er seine Frau wieder, die zuvor aus ihrer Heimat Ostpreußen geflohen war.
Kunst als Therapie
Im westfälischen Datteln finden sie ein neues Obdach. Das Ehepaar Keuchel gründet eine Familie, zwei Söhne und eine Tochter werden geboren. Doch bald stirbt Antons Frau. Anton Keuchel heiratet Irmgard, ebenfalls eine Ostpreußin. Für seine Kinder bleibt der Vater oft unnahbar, denn er zieht sich in seinen Bastelraum zurück, wo er sich in seine eigene Welt flüchtet. Obwohl er als Kunstlehrer arbeitet, findet er seine wirkliche Bestimmung in diesem Hobbyraum. Hier widmet er sich unermüdlich dem Basteln und Malen, schafft eine beeindruckende Sammlung von Miniaturmodellen, die Häuser, Kirchen und Schlösser seiner ostpreußischen Heimat darstellen. Besonders seine Heimatstadt Allenstein und das Ermland rekonstruiert er in diesen Objekten mit großer Liebe zum Detail.
Anton Keuchel lebt in einem inneren Exil. Westdeutschland wird ihm nie zu einem echten Zuhause. In seinem Hobbykeller erschafft er sich eine Ersatz-Heimat aus Holz und Pappmaché, fertigt Ölgemälde und Zeichnungen an. Seine Werke sind nicht nur Kunst, sondern vor allem Ausdruck seines Schmerzes über den Verlust der Heimat. Bis zu seinem Tod 2015 kann er sich nicht von seinen Objekten trennen, die für ihn eine Brücke zur Vergangenheit darstellen. Seine Werkbank wird zum Symbol seiner Erinnerungen und seiner Trauer.
Im Rückblick beschreibt sein ältester Sohn Leo die Situation treffend mit den Worten: „Er ist in seiner Trauer eingefroren gewesen“. Anton Keuchels Hobbyraum bleibt zeitlebens sein Rückzugsort, seine Brücke in die verlorene Heimat.