Rudi Norbert Florian wird 1934 in Schneidemühl geboren. Zu dieser Zeit gehört die Stadt zur Grenzmark Posen-Westpreußen. Die Familie Florian betreibt die größte Fleischerei der Stadt und ist tief im katholischen Glauben verwurzelt, was sie immer wieder in Konflikt mit dem nationalsozialistischen Regime bringt.
Im Januar 1945 versucht die Familie, vor der drohenden Einkesselung Schneidemühls durch die Rote Armee zu fliehen. Doch es ist bereits zu spät: Der elfjährige Rudi erlebt den sowjetischen Einmarsch und die darauffolgenden Monate, die von Tod, Gewalt und Zerstörung geprägt sind. Zunächst findet die Familie Florian Zuflucht in einem kleinen Ort bei Schneidemühl. Dort erleben sie, wie die polnische Verwaltung die Kontrolle übernimmt. Die verbliebene deutsche Bevölkerung wird gezwungen, einen Aufnäher mit dem „N“ zu tragen – „Niemiec“, der polnischen Bezeichnung für „Deutscher“. Dieser Aufnäher kennzeichnet auch die Florians als Deutsche, die in dieser Zeit Repressionen und Gewalt ausgesetzt sind.
Ein neues Leben
Im November 1945 wird die Familie Florian aus ihrer Heimat vertrieben und findet Zuflucht in Berlin. Dort erleben sie bald die Unterdrückung durch das SED-Regime. Aus diesem Grund flüchtet die Familie nach West-Berlin. In Kreuzberg eröffnen Leo und Maria Magdalene Florian ein neues Fleischergeschäft und beginnen, sich ein neues Leben aufzubauen.
Rudi Florian verlässt nach dem Schulabschluss Deutschland und wandert 1956 nach Kanada aus. 1957 zieht er in die USA. Schon früh engagiert er sich ehrenamtlich für das Erinnern an die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Erinnerungsstücke aus der Heimat
Über die Nachkriegswirren hinweg kann Rudi Florian wertvolle Erinnerungsstücke aus seiner Heimatstadt retten. Unter diesen befindet sich ein Rosenkranz, den er 1942 von seinen Eltern zur Ersten Heiligen Kommunion erhielt. 1943, als Messdiener, findet er nach einer Marienandacht eine Schatulle mit einem weiteren Rosenkranz, die er dem Pfarrer übergibt. Als der Besitzer sich nach einem Monat noch immer nicht gemeldet hat, erhält Rudi Florian die Schatulle zurück. Dieser Rosenkranz begleitet ihn sein Leben lang.
Ein weiteres Erinnerungsstück erinnert ihn an die Osterkommunion 1944 in der Johanneskirche. „Sie sind die einzigen Dinge, die ich noch aus meiner ehemaligen Heimat besitze, und ich trenne mich nur schwer von ihnen“, sagt Rudi Florian. 2018 übergibt er diese persönlichen Objekte an das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung, um die Geschichte für kommende Generationen zu bewahren.