„Ich bin einer der letzten Hotzenplotzer.“ Die Geschichte von Ernst Schmidt aus Mährisch Schlesien

© Grußkarte Hotzenplotz 1898 / SFVV

Hotzenplotz, ein Städtchen in Mährisch Schlesien, ist der Geburtsort von Ernst Schmidt, der dort 1929 das Licht der Welt erblickt. Bis 1918 gehört dieses Gebiet zu Österreich, bevor es Teil der neu gegründeten Tschechoslowakei wird. „Meine Kindheit verlief eigentlich glücklich“, erinnert sich Ernst Schmidt an seine ersten Jahre. Doch das Leben in der Heimat ändert sich bald dramatisch.

1938, im Zuge der Annexion des Sudetenlandes, reagieren die meisten Deutschen im Hotzenplotzer Ländchen mit Begeisterung. „Wir waren eine rein deutsche Stadt“, so Schmidt. Ab 1943 besucht er die Wirtschaftsoberrealschule in Troppau, doch bereits im Winter 1944/45 wird er in einem Rüstungsbetrieb seiner Heimatstadt zwangsverpflichtet.

Ernst Schmidt und seine Familie fliehen Anfang 1945. Zunächst bleibt die Familie zusammen, doch im Altvatergebirge trennen sich ihre Wege. Dann findet er seinen Vater wieder. Ernst und sein Vater stoßen in Tabor auf tschechische Partisanen. Es ist der 12. Mai 1945, als sie im Niemandsland zwischen sowjetischem und amerikanischem Einflussbereich in sowjetische Gefangenschaft geraten. Ernst entgeht der Deportation in die Sowjetunion, da er erst 15 Jahre alt ist.

Ernst macht sich allein auf den Weg in Richtung seiner Heimatstadt. Auf seinem Weg durch Brünn sieht er Zivilisten, insbesondere Frauen mit kahl geschorenen Köpfen, die Schutt wegräumen und Ziegel schlagen. Nach seiner Rückkehr nach Hotzenplotz kämpfen noch einige hundert Deutsche ums Überleben. Schließlich wird er in ein Arbeitslager verschleppt. Ernst Schmidt ist von September 1945 bis Mai 1946 zur Zwangsarbeit im Bergwerk Ruschau verpflichtet, wo er eine Nummer erhält: „Meine war 20 84“.

Er bewahrt bis heute eine Armbinde mit dem Buchstaben „N“ auf, die er als Jugendlicher tragen muss, ein Symbol für „Nemec“ (Tschechisch für „Deutscher“). Diese Erinnerung an die Demütigung und Entrechtung seiner Familie und seiner Mitbürger ist für Ernst Schmidt eine ständige Mahnung an die schwere Zeit.

Nach seiner Entlassung kehrt Ernst noch einmal nach Hotzenplotz zurück, wird jedoch bald darauf nach Bayern vertrieben. Dort heiratet er 1957 seine Frau Ingeborg, ebenfalls aus Hotzenplotz stammend. Viele Male kehrt er als Besucher in seine alte Heimat zurück.

Im Jahr 2014, als seine Frau eine Puppe nach dem Vorbild des Räuber Hotzenplotz aus dem berühmten Kinderbuch von Otfried Preußler strickt, gibt Ernst Schmidt dem Dokumentationszentrum ein Interview. Der Räuber Hotzenplotz verleiht seiner Heimatstadt internationalen Ruhm. Wenn Ernst Schmidt heute gefragt wird, ob es den Ort noch gibt, antwortet er stolz: „Ich bin einer der letzten Hotzenplotzer.“