Spuren des Krieges. Anna Hirte auf der Flucht mit ihren Kindern

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Am 11. Februar 1945 erlebt Anna Hirte mit ihren beiden Kindern sowie ihren Schwiegereltern den Einzug der sowjetischen Truppen in Nieder Gorpe, Niederschlesien (heute: Gorzupia Dolna). Die Kampfhandlungen zerstören den Hof der Familie, überall liegen Spuren des Krieges. In dieser Zeit verliert die Familie den Großvater. Annas Schwiegervater wird zur Zwangsarbeit verschleppt und verstirbt nach seiner Rückkehr im August 1945.

Zwischen Krieg und Frieden

Nach dem Ende des Krieges im Mai beruhigt sich die Lage im Dorf etwas. Doch am 24. Juni 1945 beginnt die polnische Miliz mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Nieder Gorpe. Auch Anna und ihre Kinder müssen ihre Heimat verlassen. Ohne Vorbereitung sammelt sie Eilig einige Dinge zusammen. Der Weg war lang und 15 Kilometer bis nach Sagan (heute: Żagań) musste zu fuß bestritten werden. Ihr Weg führte über die Lausitz, Cottbus, Berlin, Neustrelitz und Feldberg. Am 24. Juli 1945 erreichen sie Thomsdorf bei Feldberg. Untergebracht mit anderen Vertriebenen zusammen stellt sich kaum ein Gemeinschaftsgefühl ein, trotz des gleichen Schicksals.

Erinnern und verstehen

Die Geschichte von Anna steht stellvertretend für viele Schicksale, die von Flucht und Vertreibung geprägt wurden und in den Familien kaum thematisiert wurden. Knapp fünfzig Jahre später spricht sie in einem Interview mit ihren Kindern über die Erlebnisse des Krieges und ihre Verluste. Ihre Enkel nehmen sich ihrer Geschichte an und verschriftlichen sie, um das Schicksal der Vertreibung und die Erfahrungen ihrer Großmutter zu bewahren. Dass ihre Erinnerungen festgehalten wurden, zeigt, dass es Nachkommen zunehmend wichtig ist, die eigene Familiengeschichte zu verstehen und sie für kommende Generationen zugänglich zu machen. In Archiven gesichert, eröffnen solche Zeugnisse die Möglichkeit, nachzuvollziehen, wie schwerwiegend Flucht- und Vertreibungserfahrungen sein können. Sie laden dazu ein, sich zu erinnern, zu verstehen und mitzufühlen – über die Grenzen der eigenen Familie hinaus.